Freitag, 2. März 2018

►Serien-Review◄: Mindhunter (S. 1)

Grundwissen:




Titel: Mindhunter (original: Mindhunter)
Idee◄: Joe Penhall; basierend auf Mindhunter: Inside the FBI's Elite Serial Crime Unit von John 
Regisseur/-e◄: Andrew Douglas; David Fincher; Asif Kapadia; Tobias Lindsolm
Produzent/-en◄: Jim Davidson; Mark Winemaker
Produktionsfirma◄: Denver & Delilah Productions
Erschienen◄: 2017 auf Netflix
Dauer◄: 35-60 Minuten (10 Folgen)
Altersfreigabe◄: FSK 16
Genre◄: Krimi; Drama; ,,Dokumentation''
Preis: ?




Quelle: © Netflix




Inhalt:



,,Wie kommen wir den Verrückten zuvor, wenn wir nicht wissen, wie Verrückte denken?'' - Bill [01.02]




In den Siebzigern gelten Mörder und Vergewaltiger als kranke Menschen, eine Laune der Natur. Psychologie und Kriminologie liegen weit voneinander entfernt. Der junge FBI-Agent Holden Ford hinterfragt nach einem Zwischenfall, in dem die Methoden aus dem Lehrbuch nicht mehr funktionieren, ob eine Annäherung dieser beiden Bereiche nicht klüger wäre. Er will diese Menschen verstehen, die zu so schrecklichen Taten greifen. Gemeinsam mit seinem Partner Bill Tench macht er sich daran, die schwersten Straftäter Amerikas zu interviewen und so die Anfänge fürs Profiling zu setzen.





Meine Meinung ...






zur Staffel:





Mörder sind ein faszinierendes Thema. Nicht umsonst sind Thriller- und Horrorfilme oder -bücher so beliebt, denn nicht nur bekommt man bei guten Vertretern dieser Genres Spannung geboten, auch bekommt man Einblicke in die Gedanken eines Menschen, der einen anderen getötet hat. Gedanken, die so verquer sind, dass man sie früher lieber als schlichtweg böse oder verrückt abtat statt sich mit der Logik des Mörders auseinanderzusetzen. Wahrscheinlich hat es auch deswegen so lange gedauert, bis das FBI und die Kriminologen allgemein begannen, sich mit der Psyche zu beschäftigen und das Profiling einzuführen. Wie packend kann aber eine Serie sein, die hauptsächlich aus Dialogen mit Verbrechern besteht? In diesem Fall hochgradig!
Man merkt an allen Ecken und Enden, dass die Macher dieser Serie viel Recherchearbeit geleistet haben und die Gespräche auf realen Dokumenten aufbauen. Zusätzlich dazu wirkt die ganze Szenerie der Siebziger sehr realistisch und authentisch. Selbst jemand, der kaum etwas über diese Zeitperiode weiß, wird sich angefangen bei den Oldtimern über die Blumentapeten bis hin zu den immer und überall rauchenden Menschen pudelwohl in der Zeit einfinden. Die Atmosphäre ist somit herrlich dicht und vermag einen wirklich in die Handlung einzusaugen, auch wenn einem diese zu Beginn sehr dünn erscheint und sich die halb- bis einstündigen Folgen sehr lang anfühlen. Man gewöhnt sich aber unglaublich schnell daran und kann irgendwann nicht anders als sich mehrere Folgen hintereinander anzusehen.
Quelle: © Netflix
Dies kommt nicht nur durch das etwas andere Setting zustande, sondern auch durch die hervorragend geschriebenen Dialoge und die Verkörperung der auftauchenden Mörder. Es erscheint einem unfassbar, wie weit Psychologie und Kriminologie anfangs voneinander entfernt sind und wie viele Vorurteile die Fachkräfte innerhalb dieser Bereiche gegeneinander haben. Daher muss sich der Protagonist Holden anfangs mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert sehen, da er kaum Hilfe von seinem Vorgesetzten wegen seines Projekts bekommt und von eingefleischten FBI-Agenten, selbst von seinem Partner Bill, für seine Herangehensweise belächelt wird. Warum sollte man auch verstehen wollen, weshalb ein ,,Irrer'' so handelt, wie er handelt? Das Projekt entwickelt sich somit nur langsam und steckt mit den zehn Folgen dieser ersten Staffel noch in den Kinderschuhen, und das obwohl Holden und Bill bereits einige Schlussfolgerungen ziehen können und ihre Arbeit beide menschlich wie psychisch zermürbt. Das Grandiose an den Interviews mit den Mördern ist nämlich, dass sich deren Denken und ihre Taten auf den Alltag der beiden Agenten auswirken - und auch den Zuschauer zum Nachdenken anregen.
Die Täter sind alle sehr unterschiedlich, auch wenn sich ihre Straftaten in der sexuellen Komponente überschneidet. Dennoch haben sie alle so verschiedene Hintergrundgeschichten und Eigenschaften, dass man alleine daran schon merkt, dass ein Mensch nicht einfach ,,böse'' geboren wird und auch Mörder nicht alle aus dem gleichen Holz geschnitzt sind. Man entwickelt zeitgleich mit den Protagonisten eine Faszination und auch ein Verständnis für ihre Handlungen, ohne diese damit zu rechtfertigen. Eher lernt man, dass jeder Mensch eine andere Logik verfolgt und insbesondere Ereignisse aus der Kindheit sich auf den Werdegang eines Menschen auswirken können. Es sind keine Monster, zu denen man spricht; manchmal sind es selbst Opfer, die ihre eigene Geschichte an anderen wiederholen; Menschen, die aus einem Impuls heraus handeln oder aus den Zwängen einer psychischen Krankheit, die deswegen aber lange noch keine Unschuldslämmer sind. Oft ist man regelrecht schockiert von den Äusserungen während eines Interviews, insbesondere wenn man im Nachhinein recherchiert, dass sich bestimmte Momente wirklich genau so abgespielt haben. 
Quelle: © Netflix
Doch ebenso wie der Zuschauer müssen sich Holden und Bill immer wieder neu auf die Täter einstellen und lassen sie, ob bewusst oder unbewusst, manchmal zu nahe an sich heran. Egal ob dies an einem Streit der beiden deutlich wird oder daran, dass Holden sich selbst in seiner Beziehung einschränkt, es ist sehr clever gemacht und wird direkt in der betreffenden Folge angedeutet. Damit gibt es alleine in diesen wenigen Folgen eine grosse Entwicklung der beiden Hauptfiguren, die den Zuschauer mit ihnen mitfühlen lässt und sie zu mehr macht als zwei Personen, die man hauptsächlich in ihrem Beruf agieren sieht, selbst wenn dieser sie auch zuhause nicht loslässt. Sie haben ihre Defizite und Kanten, was ihnen über ihre stereotypische Grundausrichtung des beruflichen Zynikers und idealistischen Neulings hinaus Charakter verleiht. Daher wird man positiv überrascht davon, wie gut es der Krimi schafft, das ,,normale'' Leben der Hauptpersonen mit dem eines Mörders zu verknüpfen und wichtige Schnittstellen und Unterschiede aufzuzeigen. Denn so merkt man, dass niemand wirklich davor geschützt ist ein Verbrecher zu werden, auch wenn es selbstredend Leute gibt, die anfälliger dafür sind als andere.
Somit ist jede Folge in sich spannend, da die Verbrecherfiguren einem viel Abwechslung bieten und mit ihrem Einfluss auf Bill und Holden eine noch interessantere psychologische Komponente ins Spiel bringen. Einen Grossteil der Folgen könnte man sogar mit dem Genre ,,Case of the Week'' besehen, auch wenn die Handlung innerlich immerzu ein Stück voranschreitet. Doch bei all der ernsten Thematik und sehr emotionalen Themen wie Missbrauch, Sexualität, Erziehung und Prävention vergisst die Serie selten ihren Humor. Er ist zwar subtil und eher situationsbedingt, wird aber hervorragend durch die Dynamik der Charaktere unterstützt. Am witzigsten sind tatsächlich die Abschnitte, in denen die professionellen FBI-Agenten mit Dorfpolizisten zusammenarbeiten müssen und diese unglaublich, doch realistisch naiv in alle möglichen Fettnäpfchen tappen. Daher bekommt man trotz des harten Tobaks auch kleinere, wohltuende Atempausen, in denen sich die Folgen eher auf Situationskomik oder die Darstellung des Privatlebens der Hauptfiguren fokussieren.
Quelle: © Netflix
Ein Detail dieses Privatlebens bei Holden wäre Debbie, die er Anfang der Serie kennenlernt und mit der er eine Beziehung anfängt. Diese wird auch alles andere als stiefmütterlich behandelt, da sich wegen der Verschiedenheit ihrer Persönlichkeiten viele lustige und problematische Situationen anbieten und auch Holdens innere Veränderung an dieser Beziehung gezeigt wird. Doch leider scheinen die Macher darin nur das - ein Mittel zum Zweck - gesehen zu haben, da gegen Ende der Staffel sehr grob mit ihrer Entwicklung umgegangen wird und interessante Details weggeschnitten wurden. Es ist angesichts Holdens Veränderung nur konsequent, allerdings hätte man als Macher nicht so sehr durchblicken lassen müssen, dass sie nur zu einem bestimmten Zweck in die Handlung eingebunden wurde. Ein paar Szenen mehr und nicht ganz so kurz angebundene Gespräche hätten dieser logischen Wendung nicht geschadet.
Allgemein ist Holden das, was einen etwas zwiespältig auf die letzten Folgen der ersten Staffel schauen lässt. Es ist wahrscheinlich nur konsequent, allerdings auch sehr erschreckend, wie sich der anfängliche Idealist zu einem manipulativen Mistkerl wandelt. Man möchte ihn manchmal regelrecht schütteln und an die Wand klatschen dafür wie er mit seiner Sprache und seinem Umgang spielt, um an die nötigen Informationen der Täter zu kommen, gleichzeitig ist es jedoch sehr intelligent und setzt auch den Mitarbeitern seiner Branche den Spiegel auf, da sich diese hinter verschlossenen Türen ebenso nicht sonderlich professionell verhalten. Es ist jedoch die Frage, ob die Serie aufgrund seines Verhaltens qualitativ schlechter wird, da es wie eine stimmige Konsequenz innerhalb seiner Figur erscheint. Lieben wir es nicht alle irgendwie, einen durchtriebenen Charakter zu hassen? Ist das nicht der Zirkelschluss innerhalb dieser Serie, die sich um mörderische Menschen dreht?




Mit Sicherheit ist Mindhunter keine Serie für jene, die sich von Worten wie ,,Krimi'' und ,,FBI'' Action und Geballer ohne Ende erhoffen. Sie basiert grundsätzlich auf Gesprächen und psychologischen Hintergründen, die den Zuschauer zugleich fesseln und auch etwas anekeln, wenn man merkt, dass man der  verqueren Logik der Täter genauso folgen lernt wie die beiden Protagonisten. Diese gehen auch nicht ungezeichnet aus ihren Vernehmungen heraus und werden so über ihre klischeehaften Grundzüge hinaus erweitert. In gewisser Weise ist man in einer ähnlichen Position wie sie, da man sich ebenso Gedanken über den Werdegang eines Menschen macht und in ähnliche innere Konflikte und Auseinandersetzungen mit sich gerät wie sie auch. Daher überzeugt die Serie mit innerer Spannung und ihrem Fokus auf kantige, teilweise sehr kaputte Figuren, und das vor einem glaubwürdigen und rauen Setting. Es gibt zwar eine Handvoll Dinge, die die Macher hätten genauer ausarbeiten oder schlichtweg kürzen können, allerdings lässt das Finale einen trotzdem sehr neugierig auf die zweite Staffel zurück. Komplex, dunkel, aber dennoch aufregend und unterhaltsam - eine der bisher qualitativ hochwertigsten Serien, die auf Netflix veröffentlicht wurden.




Ich gebe der Staffel:


♥.♥ Herzchen


Extra:


Eine Gegenüberstellung der in der Serie dargestellten Mörder und ihren realen Vorbildern könnt ihr hier finden. Unglaublich, welche Dinge wirklich so übernommen wurden :3

CU
Sana

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